[Ich habe den Text ursprünglich auf Englisch für die Young Propagators Society geschrieben, die ihn in Ausgabe 8 ihres Zines publizierte.]
Vor ein paar Jahren hatte ich das Glück, eine Wohnung im Zentrum von Düsseldorf zu finden. Erstaunlicherweise gehörte ein 200 Quadratmeter großer, von alten Backsteinmauern umgebener Garten dazu. Hinter hohen Gebäuden versteckt, fühlte sich der Garten an wie eine kostbare Oase. Vogelgezwitscher füllte die Luft. Efeu, das aus den Nachbargärten herüberwuchs, bot einer Vielzahl von Tieren Unterschlupf. In einer Ecke standen einige Sträucher und Bäume, aber der größte Teil des Bodens war mit Gras bedeckt. Diese Monokultur kam mir sofort wie eine Verschwendung vor. Ich begann zu überlegen, wie ich die Artenvielfalt noch weiter fördern und den ökologischen Wert meines kleinen Grundstücks noch weiter steigern könnte. Schnell entstand die Idee, eine Wildblumenwiese anzulegen. Zu der Zeit fuhr ich häufig in ein Dorf 30km westlich von Düsseldorf. Die Landstraße zog sich zwischen endlosen Getreide- und Gemüsefelder durch eine flache, fruchtbare Landschaft. Was mir immer wieder auffiel, waren die Randstreifen, die schmalen Abschnitte zwischen Asphalt und Feldern. In diesem landwirtschaftlichen Einerlei, das von Herbiziden und Düngemitteln durchtränkt war, stachen die wenigen Wildblumen hervor, die dort wuchsen. Das war Artenvielfalt, wie ich sie mir für meinen Stadtgarten wünschte.



Nachdem ich diese Blumen wochenlang immer wieder bemerkt hatte, dachte ich: Warum sammle ich nicht einfach ein paar Samen für meinen Garten? Nun, weil das etwas war, was man einfach nicht machte. Autofahrer benutzten die Straßen, Bauern die Felder, das bisschen Land dazwischen wurde behandelt, als ob es nicht existierte. Das Auto anzuhalten, auszusteigen und ein paar Samen mitzunehmen, wäre fast so, als würde man einen Müllhaufen durchwühlen. Und wäre das nicht auch Diebstahl? Nicht ganz. Es war schließlich öffentlicher Grund und Boden und ich Bürgerin. Überhaupt wollte ich ja ohnehin nur ein paar Samen mitnehmen, natürlich nicht alle. Eines Tages fuhr ich also rechts ran. Fahrzeuge rauschten vorbei, während ich vorsichtig die Straße entlangging und Samen sammelte. Aber dann traute ich mich nicht, diese Samen auszusäen. Stattdessen kaufte ich eine teure Saatgutmischung, die speziell auf die einheimische Wiesenflora dieser Gegend Deutschlands abgestimmt war, natürlich alles aus biologischem Anbau. Mit Hilfe von zwei Freunden entfernte ich tagelang die alte Grasnarbe, um die Fruchtbarkeit des Bodens vor der Aussaat zu verringern. Im nächsten Sommer hatte ich die Wildblumenwiese, die ich mir gewünscht hatte. Verschiedenste Blumen und Gräser erfüllten meinen Garten mit Magie. Ich hatte die Ratschläge von Ökologen befolgt und alles richtig gemacht; meine eigene kleine Renaturierungsmaßnahme hatte funktioniert. Dennoch fragte ich mich immer wieder, was passiert wäre, wenn ich es anders gemacht hätte. Ich hatte mein Ziel einer größeren Artenvielfalt in diesem Garten erreicht. Ich hatte das getan, was als richtig angesehen wurde, eine gesellschaftlich anerkannte Art des Gärtnerns. Es war wundervoll, zwischen den hoch aufragenden wilden Möhrenpflanzen, den leuchtend gelben Blütenblasen des Hornklees und all der anderen Blumen und Gräser zu sitzen, während überall die Insekten schwirrten. Und doch hatte ich das Gefühl, dass ich für diese Wildblumenwiese eine vorgefertigte Backmischung genommen hatte, anstatt meine eigenen Zutaten zu verwenden. Warum hatte ich das getan?



Ein Grund war Sicherheit. Durch den Kauf einer kommerziellen Saatgutmischung hatte ich das Risiko, invasive Arten auszusäen, ausgeschlossen. Aber wäre die Gefahr wirklich so groß gewesen? Immerhin konnte ich unerwünschte Pflanzen entfernen. Es gab sogar Beispiele, bei denen ich diese Praxis bereits anwandte. Im Frühjahr grub ich vorsichtig die Setzlinge des Riesen-Bärenklaus aus, deren Samen aus einem Nachbargarten stammten. So schön die Pflanzen auch waren, ich wollte nicht, dass in meinem Garten etwas wuchs, das menschliche Haut verätzen konnte. Und ich wusste auch schon, wie ich mit starken Arten umgehen musste, die alles andere zu verdrängen drohten. Das Efeu zu reduzieren, war eine wiederkehrende Aufgabe in einem Garten, in dem es von allen Seiten über die Mauern wuchs. Wenn ich ehrlich bin, gab es noch etwas anderes, das mich davon abhielt, die am Straßenrand gesammelten Samen auszusäen: eine Art Scham darüber, woher die Samen stammten. Wann immer ich erzählte, wo ich sie gesammelt hatte, schauten mich die Leute mit verwirrtem Unglauben an. Niemand schien meine Faszination für Straßenränder als bemerkenswert widerstandsfähige Ökosysteme zu verstehen. Das war absurd. Warum wurde eine Blume, die gezüchtet wurde, um verkauft zu werden, als wertvoller angesehen als eine, die es geschafft hatte, trotz aller Widrigkeiten zu blühen? Bei meiner nächsten Autofahrt begann ich wieder Samen zu sammeln. Es machte mir noch mehr Spaß als beim ersten Mal. Nach und nach erkannte ich Pflanzen wieder und ich merkte mir, ob sie lieber in feuchteren oder trockeneren Zonen, in mehr oder weniger fruchtbarem Boden wuchsen. Der nächste Schritt war, die Namen der Pflanzen zu lernen. Etliche von ihnen galten nicht als Wiesenblumen. Das störte mich nicht. Ich wollte experimentieren. Und wenn diese Pflanzen in meinem Garten wachsen würden, wäre das großartig. Ich wollte die Artenvielfalt fördern und mich keiner Reinheitstheorie unterwerfen.



Nachdem ich im Spätsommer meine Wiese gemäht und vertikutiert hatte, säte ich dieses Mal aus, was ich gesammelt hatte. Im nächsten Sommer blühten in einer feuchten Ecke nicht nur die winzigen weißen Blüten von Galium album, sondern auch die gelben von Galium verum, und an einer sonnenverwöhnten Stelle standen jetzt die grauen Rosetten von Verbascum nigrum, die sich darauf vorbereiteten, nächsten Jahr wunderbar hohe Blütenstände zu bilden. Meine Wiese war nicht dramatisch anders. Es war sogar schwer zu sagen, ob die neuen Arten von den Samen vom Straßenrand oder, mit Verzögerung, aus der kommerziellen Mischung stammten, die ich nur 18 Monate zuvor ausgesät hatte. Es war mir egal, welches Saatgut erfolgreicher gewesen war. Wichtig war nur, dass das Gärtnern nun ein Dialog war zwischen meinem Garten, der Landschaft und mir.