Ende Juni kam ich nach Düsseldorf zurück, nachdem ich den gesamten Coronavirus-Lockdown gezwungenermaßen in London verbracht hatte. Zum ersten Mal nach 16 Wochen ging ich durch das große Tor vorbei an den Mülltonnen und Fahrrädern zu meinem Garten. Ich war nervös. Seitdem ich letztes Jahr im Frühjahr das alte Gras ausgerissen und meine Wildblumenwiese eingesät hatte, machte ich mir Sorgen, dass das der Artenvielfalt mehr geschadet als genutzt hatte.
Im Jahr zuvor, in ihrem ersten Sommer, sah die Wiese wenig beeindruckend aus. Ich wusste, das war zu erwarten. Die Samenmischung enthielt mit Absicht nur wenige einjährige Pflanzen wie Kornblumen und Klatschmohn und die Mehrjährigen würden eine Weile brauchen, um sich zu etablieren. Die Wiese würde erst im zweiten Jahr richtig sichtbar werden. Aber was, wenn nicht?
Als ich Anfang März für, wie ich glaubte, nur kurze Zeit abgereist war, lag die Wiese noch in winterlicher Ruhe. Während meiner Abwesenheit schickten die Nachbarn mir Fotos. Jedes einzelne von ihnen sah beunruhigend monoton und blütenlos aus. Als ich mich jetzt der Ecke der alten Backsteinmauer näherte, von der aus ich den ersten Blick auf meine Wiese werfen konnte, versuchte ich, auf das Schlimmste vorbereitet zu sein: die Bestätigung meiner Befürchtung, dass ich die Artenvielfalt, anstatt sie zu verbessern, reduziert hatte.

Zunächst sah ich nur ein kniehohes Gewirr aus verschiedenen Gräsern, das den gesamten mittleren Teil des Gartens bedeckte. Aber aus diesem grünen Meer ragten ein paar Pflanzen empor: Natternkopf (Echium vulgare), Wiesen-Flockenblumen (Centaurea jacea) und einige Knospen der Wilden Möhre (Daucus carota). Vielleicht war alles doch nicht so schlimm. Vorsichtig ging ich weiter in die Wiese hinein – und dicht am Boden, versteckt hinter Gräsern, fand ich, was ich zu finden gehofft hatte: den Kleinen Klappertopf (Rhinanthus minor). Diese halbparasitäre Pflanze ist für eine mehrjährige Blumenwiese sehr wichtig, weil sie die Gräser schwächt, die sonst die zarten Blühpflanzen verdrängen würden. Der Kleine Klappertopf ist einjährig und seine Samen benötigen die Kälte des Winters, um zu keimen. Da die Aussaat im Frühjahr des vergangenen Jahres erfolgt war, konnte die Pflanze hier nun zum ersten Mal wachsen – und das tat sie in beeindruckender Zahl, zumindest auf der sonnigeren Seite der Wiese. Ich war erleichtert: In all dem Gras hatte ich zumindest einige Blumen gefunden!
In den folgenden zwei Wochen wurde ich krank und war nicht in der Lage, meinen Garten zu besuchen. Als ich schließlich wieder den Weg an der Backsteinmauer entlangging, erwartete ich, die Wiese so vorzufinden wie zwei Wochen zuvor. Auf die Veränderung, die ich dann sah, war ich nicht vorbereitet: Die Wiese hatte sich in der Höhe verdoppelt. Verschiedene Gräser waren erblüht und hatten sich in das neue Stockwerk ausgedehnt, mit sanft wippenden, geschwungenen Köpfen oder flauschigen Spitzen an steifen Halmen. Dazwischen standen die hohen Stängel unzähliger Wilde-Möhre-Pflanzen in voller Blüte. Es schien, als hätte die Wiese auf meine Rückkehr gewartet, um so richtig mit dem Wachsen zu beginnen.



Ich mähte das Gras auf den Wegen, um dem Garten ein wenig Struktur zu geben, und nach dem Zusammenrechen des Schnittgutes setzte ich mich auf meine Gartenbank. Zum ersten Mal sah ich, dass meine Vision ein Stück weit Wirklichkeit geworden war. Was eine Grasmonokultur gewesen war, war nun definitiv vielfältiger: ein luftiges und doch komplexes Durcheinander aus Farben, Formen und Texturen.
In den nächsten Wochen wurde alles noch besser. Nah am Boden begann Hornschotenklee (Lotus corniculatus) zu blühen: In der dritten Juliwoche bildete er im sonnigen vorderen Teil meiner Wiese eine gelbe Schicht unter dem Blau des Natternkopfes, dem Magenta der Wiesen-Flockenblume und dem Weiß der Wilden Möhre. Hier und da standen nun auch zart rosa blühende Moschus-Malven (Malva moschata). Aus einem bestimmten Blickwinkel betrachtet, war es eine Wildblumenwiese wie aus dem Bilderbuch.





Währenddessen wurde die ganze Wiese, vor allem aber die Wilde Möhre, immer höher. Jeder der zu Besuch kam, sagte als erstes so etwas wie: „Wow, so hoch hatte ich mir das nicht vorgestellt!“ Auch ich hatte nicht erwartet, dass die Wiese fast bis zu meinen Schultern reichen würde. Aber ich liebte das Drama, das durch die Höhe entstand, und die Art und Weise, wie die Sonne die verschiedenen Stockwerke der Wiese beleuchtete, war unendlich faszinierend. Die Wilden Möhren bildeten große und doch zarte Skulpturen. Ich war gebannt von den feinziselierten Details ihrer breiten Blütenköpfe. „Queen Anne’s lace“, königliche Spitze, wie die wilde Möhre in Nordamerika genannt wird, beschreibt es perfekt.



Jenseits der Begeisterung blieben meine Zweifel. So schön sie auch war, die Wilde Möhre dominierte das Bild und die weiteren Bereiche der Wiese, insbesondere die schattigen Stellen, waren nicht besonders artenreich. Es gab viel Gras und viel Wilde Möhre. Hatte ich mich von Schönheit blenden lassen und die Artenvielfalt aus den Augen verloren?

An einem der Abende kam meine Freundin, die Umweltbiologin, zu Besuch, die immer wieder meine Fragen zu der Wildblumenwiese geduldig beantwortet hatte. Ich war darauf vorbereitet, die Unzulänglichkeiten der Wiese zu besprechen. Stattdessen fand meine Freundin rasch mehrere Pflanzengattungen, die ich bis dahin nicht identifiziert oder nicht mal bemerkt hatte. Sie zählte unglaubliche 18 unterschiedliche Pflanzen auf der Wiese und gratulierte mir zum Erfolg des Projekts. Ich war erstaunt. Die meisten der Gattungen waren viel weniger auffällig und zahlreich als die Wilde Möhre, aber sie waren da, z. B. Spitzwegerich (Plantago lanceolata) mit seinen unscheinbaren Blüten und mehrere Gräser, deren Unterscheidung ich noch lernen musste. Es war mir also gelungen, das zu tun, was ich vor zwei Jahren mit meiner Freundin besprochen hatte, ich hatte mehr Artenvielfalt in meinem Garten geschaffen.



Der August kam, und es war Zeit zu mähen. Stellenweise lag das Gras bereits flach auf dem Boden. Ich musste es schneiden, bevor der Erde durch die Zersetzung des Pflanzenmaterials wieder Nährstoffe zugeführt wurde. Meine mehrjährige Wiese basiert schließlich auf schlechtem Boden, denn dadurch können zarte Pflanzen mit den stärkeren Gräsern konkurrieren.
Dennoch fühlte es sich falsch an, etwas so Schönes zu zerstören. Meine Freundin versicherte mir, dass es immer traurig sei, eine Wildblumenwiese zu mähen, aber es müsse sein, um sie zu erhalten. Ich wusste, dass sie Recht hatte. Dennoch dauerte es Tage, bis ich endlich die Motorsense in Gang setzte und all die hohen Stängel zu Boden fallen sah. Ich ließ einen kleinen Teil stehen, teils um den Insekten einen Rückzugsort zu bieten, teils weil ich es nicht ertragen konnte, dass alles auf einmal weg war.





Als ich mit der Arbeit fertig war, setzte ich mich wieder auf die Bank. Mein Wiesenexperiment war also nicht, wie befürchtet, gescheitert. Aber ich hatte immer noch die alte Frage im Hinterkopf: Hätte ich ein ähnliches Ergebnis erzielen können, ohne die alte Wiese so radikal zu entfernen? Ich neigte nun dazu, die Frage mit „Ja“ zu beantworten. Ich hätte das vorhandene Gras vertikutieren und in die entstandenen Lücken säen können. Auf diese Weise hätte ich andere blühende Pflanzen etablieren können. Die Wiese hätte so an Vielfalt gewonnen, aber das Ergebnis wäre definitiv ein anderes gewesen. Es hätten die verschiedenen eleganten Gräser gefehlt, die jetzt die Wiese dominierten.
Der große Vorteil dieser Methode wäre jedoch gewesen, dass der Boden weitgehend ungestört geblieben wäre. Als ich damals mit Hilfe meiner Freunde das alte Gras herausriss und die oberste Erdschicht entfernte, war mir der Komplexität des Lebens im Boden nicht bewusst. Tatsächlich beginne ich gerade erst, mehr darüber zu lernen. Anscheinend enthält ein Löffel Gartenerde eine Milliarde Organismen. Die Erde, die ich mit den Graspflanzen entfernt hatte, war seit mindestens 45 Jahren ungestört gewesen. Ich darf gar nicht daran denken, wie viele winzige Ökosysteme ich zerstört habe. Deshalb glaube ich, dass ein weniger brachialer Eingriff eine bessere Methode gewesen wäre, das bestehende Ökosystem zu stärken.

Aber ich kann nichts ungeschehen machen. Und es bleibt der Zweifel, ob die alte Wiese es den zarten Stauden und Einjährigen jemals erlaubt hätte, mit den Gräsern zu konkurrieren. Ich werde nie mit Sicherheit wissen, ob ich das Richtige oder Falsche getan habe. Aber zumindest weiß ich, dass ich die Artenvielfalt irgendwie verbessert habe. Und ich bin jetzt zuversichtlich, dass ich dies in den nächsten Jahren fortsetzen kann. Bis dahin werden mir die letzten Wochen als etwas Besonderes in Erinnerung bleiben. Morgens kam ich mit einer Tasse Tee in den Garten und setzte mich auf die Bank, um zu beobachten, wie die Sonne einen immer größeren Teil der Wiese in funkelndes Licht tauchte. Abends saß ich dort mit Freunden und bestaunte die im Mondlicht leuchtenden Blüten der Wilden Möhre, während Fledermäuse leise über die Wiese huschten und ein Waldkauz (Strix aluco) seinen Partner im nächsten Hinterhof rief.
Mein Garten hatte sich schon immer magisch angefühlt, vom ersten Moment an, als ich ihn in Begleitung des Immobilienmaklers betrat. Aber in diesen warmen Nächten im Hochsommer mit dem zusätzlichen Zauber der unerwartet hohen Wiese erschien mir dieser Garten wie aus einer anderen Welt.